In unserer Gegenwart suggerieren pausenlose Kommunikation und Mobilität, dass die Überwindung von Zeit und Raum, sowohl virtuell als auch körperlich, permanent möglich ist. Wir haben uns weitestgehend von der Vorstellung verabschiedet, dass alles seine Zeit braucht. Jede wache Minute ist ausgefüllt mit Informationen, Ereignissen und Aktivität. Zeit, in der wenig oder nichts geschieht, gilt als unproduktiv. Eine Pause einzulegen, warten zu können, etwas zu beginnen, dessen Ende nicht absehbar ist, einfach nichts zu tun, sich Zeit zu nehmen – diese Bedürfnisse sind von einer Lebenseinstellung verdrängt worden, die Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort. einfordert. Es sieht so aus, als ob die enorme Beschleunigung aller Bereiche des Lebens unser Gefühl für und unseren Umgang mit der Zeit entscheidend verändert hätte. Die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit und die zunehmende Geschwindigkeit des Internets lassen uns glauben, dass der Mensch im realen Leben genauso schnell und flexibel funktionieren könnte. Aber natürlich können wir nicht Schritt halten. Je größer die zeitliche Verdichtung unseres Alltags ist, umso anfälliger reagieren wir, wenn der Fluss der Informationen und Aktionen sich verlangsamt oder gar unterbrochen wird. Dann geraten wir aus dem Takt und Ungeduld macht sich breit. Die Bereitschaft zu warten ist heutzutage gering.
Als psychologische Kategorie ist die Ungeduld nicht leicht zu fassen. Schon der Begriff ist mangels eines eigenen Wortes auf die Umkehrung der Geduld in ihr Gegenteil angewiesen. Ungeduld ist zuerst ein individueller Reflex. Es ist ein Gefühl, das entsteht, wenn unsere innere Uhr schneller läuft, als die äußere Zeit tatsächlich vergeht. Besonders dann, wenn man Situationen und Ereignissen ausgesetzt ist, deren Dauer man kaum oder gar nicht beeinflussen kann, aber gerne beschleunigen würde. Aber gerade die Erfahrung von Ungeduld, die Zwangspause, lässt uns das eindimensionale, zielorientierte Verhältnis zur Zeit, das wir entwickelt haben, besonders deutlich spüren.
Da die Ungeduld ihrem unsteten Wesen nach eine subjektive Empfindung ist, ist es schwierig, allgemeingültige Bilder für sie finden. In der Kunst tritt sie als konkretes Thema und Motiv jenseits denkbarer allegorischer Darstellungen der (Un)Geduld als (Un)Tugend kaum in Erscheinung. Momente der Ungeduld gehören als Begleiterscheinungen auch zum künstlerischen Schaffensprozess und zur Reaktion des Publikums, ohne dass damit etwas über die Ungeduld an sich gesagt wäre. Die künstlerische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Phänomenen der Zeit im Spannungsfeld von Ungeduld und Geduld ist meist an eine Situation gebunden, in der sich verschiedene Ebenen von Zeit und Raum kontrastierend gegenübertreten bzw. überlagern. Dabei tritt die im Bild, Foto, Objekt oder Film vorgestellte Zeit in ein Verhältnis zum Zeitmaß des Betrachters. Dadurch werden Intervalle geschaffen, die ein differenziertes Zeiterlebnis ermöglichen.
Die galerie baer hat für ihre Ausstellung einige Arbeiten ausgewählt – Filme, Objekte, Grafiken, Fotografien –, die die (UN)GEDULD nicht explizit zum Inhalt haben, jedoch auf unterschiedliche Weise und auf assoziativer Ebene unseren Umgang mit der Zeit und unser Zeitempfinden ansprechen. Verschiedene bildnerische Strategien und Ausdrucksformen verweisen auf einzelne Aspekte von Bewegung und Stillstand, Moment und Dauer, Tempo und Langsamkeit, Ereignisfülle und Ereignislosigkeit.