Jan Brokof
Raumarchäologie der gebauten Umwelt
Nur aus seiner vorangegangenen Auseinandersetzung mit dem gebauten Raum kann Brokofs aktuelle Arbeit »Revolutionsarchitektur-Tor« (2012) verstanden werden. Während die in Holzschnitten rekonstruierten Häuserblöcke aus seiner Heimatstadt Schwedt wie Stellvertreter einer vergangenen räumlichen Erfahrung fungierten (2004-2005), abstrahierte er in den »Comicstädten« (2007) die Konturen von New York, Paris oder Tokio in einfachste Formen zu urbanen Traumbildern. Oder er arbeitete DDR-Reliefs als im sozialistischen Realismus akzeptiertes Dekor (2008) in die Druckstöcke des Holzschnittes hinein.
Das dreidimensionale »Revolutionsarchitektur-Tor« aus aufeinander montierten Spanplatten, das Brokof über und über mit Reliefmustern überzogen hat, deckt ein zentrales Element seines Raumkonzeptes auf. Denn auch hier setzt er sich mit vergessenen Sedimenten der Architekturgeschichte auseinander: Die Revolutions-architektur umfasst eine Entwicklungsphase des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Frankreich, bei der es sich oftmals nur um utopische Entwürfe handelte, die nicht gebaut wurden. Die Titelwahl zeigt: Brokof ist mehr an der Idee als an der technischen Realisierbarkeit interessiert. Indem er graphisch arbeitet, wirkt das Tor auf den ersten Blick realistisch, doch kann der Betrachter wie bei einer Skulptur diese nur umkreisen. Die scheinbare Zweidimensionalität wird durch den Holzschnitt, die Maße sowie die fehlende Toröffnung entlarvt. Gleichzeitig ist das Tor mit einem Stilmix von Reliefkulturen geschmückt: Grau-weiße Fassadenelemente der DDR treffen auf eine mosaikförmige Umrahmung aus der Bauhauszeit, diese wiederum auf die nationalsozialistische Massivität neo-klassizistisch anmutender Säulen sowie auf ein pagodenähnliches Dach aus China. Es scheint, als habe der Künstler den gesamten historischen und geographischen Mix aus architektonischen Verschönerungen zusammengebracht, um dabei jedoch den Betrachter förmlich »gegen die Wand« laufen zu lassen.
Wie bei dem Social Space im dreidimensionalen Raumkonzept des französischen Soziologen Henri Lefebvre drehen sich Brokofs Arbeiten um die prägende Kraft des built space, des gebauten Raumes also, der durch Architekten und Planer hervorgebracht wird und wie abgelagerte Sedimente auch unsere räumlichen Vorstellungen strukturiert. Wenn wir uns also mit Raum beschäftigen, rufen wir die geschichtlich hervorgebrachten Skizzen und Entwürfe der Planer und Architekten ab. Unsere Vorstellung ist dabei nie unvoreingenommen, so Lefebvre. Wie ein Archäologe »hebt« Brokof diese unbewussten Raumbilder: Relief, utopische Architektur und Tor, diese Sedimente des Gebauten legt er mit seinem Werkzeug in seiner aktuellen Arbeit wieder frei.
Dr. Christine Nippe (2012)
Einzelausstellungen (Auswahl) | |
2012 | »¥€$«, galerie baer, Dresden »Otto-Dix-Preisträger«, Kunstsammlung Gera (K) »Deutscher Gedenkdruck«, galerie baer, Dresden |
2011 | »Der Westen war einsam«, Folkwang Museum Essen (K) »Concrete Forrest«, Leonhardi-Museum, Dresden (K) |
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl) | |
2013 | »jetzt hier«, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden »Schaufenster: Zwickau meets Dresden«, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden »Schauplatz Stadt«, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr (K) |
2012 | »Neuerwerbungen Teil 2«, Museum Junge Kunst, Frankfurt (Oder) »knappdanebenistauchvorbei«, Philara, Düsseldorf |
2011 | »galerie module 3«, Keller Hauptstraße 1, Colorado, Dresden »Positionen sächsischer Gegenwartskunst«, Villa Eschenbach, Dresden »Künstlerische Positionen im Hochdruck«, Museum für Druckkunst Leipzig |
Vita | |
1977 | geboren in Schwedt/Oder |
1999-2004 | Studium der Malerei, Grafik und anderen künstlerischen Medien an der Hochschule für Bildende Künste Dresden |
2004-2006 | Meisterschüler bei Prof. Ralf Kerbach an der Hochschule für Bildende Künste Dresden |
2010 | Gründung der Artband »Braut« |
seit 2010 | Mitglied der Theatergruppe und Bühnenbild für »and company« |
lebt und arbeitet in Dresden und Berlin | |
Preise/Stipendien | |
2012 | Otto-Dix-Preis |
2008 | Kunstpreis „Holzschnitt heute“, Stiftung Kunst, Kultur und Bildung der Kreissparkasse Ludwigsburg |
2007 | Arras-Preis für Kunst und Kultur in Dresden |
2006 | Sächsisches Landesstipendium |
2005 | Marion-Ermer-Preis der Marion Ermer Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur in Sachsen und Thüringen |
2004 | Grafikpreis der Volksbank Chemnitz 1. Stufe; Hegenbarth-Stipendium der Dresdner Stiftung für Kunst und Kultur |
Downloads | |
Texte | |
»Jan Brokofs Raumarchäologie der gebauten Umwelt« · Dr. Christine Nippe · 2012 | |
»Engelstraße 19 - 29 oder: Kann man in Schwedt küssen?« · Tobias Burg · 2010 | |
»(Nicht mehr) Teil einer Jugendbewegung sein« · Carla Orthen · 2009 | |
»Die wahren Gefühle sind die gemischten« · Christoph Tannert · 2007 | |