Hannes Broecker
Hannes Broecker sucht im öffentlichen Raum nach unverbrauchten, eindrücklichen »Bildern«, in denen sich die unteren Lagen unserer urbanen Lebenswelt spiegeln. Ihn interessieren jene Orte und Situationen, in denen die aus Raum, Architektur und Menschen gefügte städtische Textur aufgeraut ist, wo sich die Spuren des fortwährenden kollektiven Gebrauchs zeigen und die individuelle – auch sich den Regeln und Normen widersetzende – Benutzung der Stadt sichtbar wird. Aufgerissene Straßen, mit Sperrmüll verstellte Wege, Schlafstätten von Obdachlosen, mit Graffiti überzogene Wände, wild plakatierte Bauzäune, die Signalfarben von Absperrbändern – aus solchen visuellen Reizen und den dazugehörigen Realien schichtet Broecker intuitiv seine Bilder, Objekte und Installationen. Laut und grob stellen sie sich dem Betrachter oft als undurchdringliche Barrieren entgegen. Denn es geht nicht um die ästhetische Kultivierung eines banalen Motivs, sondern um das Aufbrechen einer vertrauten Alltagserfahrung, um die Neuentdeckung der eigenen Welt.
Seine »Fenster« sind fingierte Nachstellungen realer Beobachtungen. Man findet solche, meist auf Fußgängerniveau liegenden Fenster überall im öffentlichen Raum. Nicht nur in heruntergekommenen Gegenden, in Seitenstraßen oder Hinterhöfen, sondern gerade auch in unmittelbarer Nachbarschaft gepflegter städtischer Schauseiten. Bevorzugt nämlich dort, wo Architekten zwar Fenster einbauen ließen, diese jedoch aus unterschiedlichen Gründen ihre Funktion verloren haben, einen visuellen Austausch zwischen innen und außen zu ermöglichen. Darunter sind auch viele, die wahrscheinlich von Anfang an nutzlos waren und sich lediglich den Erfordernissen der Fassadengestaltung verdanken. Im Laufe der Zeit werden diese Fenster blind, werden verschmutzt, verrammelt und zugemüllt. Für einen urbanen »Flaneur« wie Hannes Broecker mit geschultem Blick für solche randständigen, zwischen Vorsätzlichkeit und Unachtsamkeit angesiedelten »Bilder« der ideale Ausgangspunkt der eigenen Bildwelt. Als authentische Readymades spielen sie seinem künstlerischen Prinzip in die Hand, im urbanen Umfeld vorgefundene Materialien, Formen und Farben, Oberflächen und räumliche Strukturen, Licht- und Schatteneffekte, das Verhältnis von Dynamik und Statik zu analysieren und in einer autonomen, schlüssigen Komposition zu verdichten. Die Assemblagen bestehen aus dem gleichen Material wie ihre Vorbilder: Glas, Blech, Holz, Folie, Papierfetzen, Zigarettenstummel, alte Plastikflaschen usw. und bewahren sich dadurch einen prosaischen, unpersönlichen Realismus, der zwischen Straße und Galerie, zwischen Leben und Kunst vermitteln möchte. Die dem Fenstermotiv innewohnende Erkenntnis-Metaphorik – von Durchblick bis Blicksperrung – lenkt die Gedanken auch auf die sozialen und kulturellen Milieus, die diese »Bilder« hervorgebracht haben.
Mathias Wagner (2011)
Einzelausstellungen (Auswahl) | |
2013 | »zwischendurch: Konkrete Wände«, galerie baer, Dresden |
2012 | »Hektor Förderpreis«, Kunsthalle Mannheim |
2010 | »Mein Block, Dein Viertel«, galerie baer, Dresden »Hannes Broecker«, annex14, Bern, Schweiz |
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl) | |
2013 | »testing (re)production«, Museun Sztuki, Lodz, PL »The Legend of the Shelves«, Autocenter, Berlin |
2012 | »How to make«, Kunsthaus Dresden |
2011 | »Theo Boettger, Hannes Broecker, Eckehard Fuchs, Andreas Hildebrandt«, galerie baer, Dresden »NEWCROSS«, DNA-Galerie, Berlin |
2010 | »houseparty – come as you are«, galerie baer, Dresden »Spleendid View«, Universal Cube, Leipzig »KMA Group Show«, Krome Gallery, Berlin Fred Rapid Glassworks, Autocenter Berlin (K) Fred Rapid Glassworks, Zerofold Köln
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Vita | |
1980 | geboren in Eckernförde |
2003-2008 | Studium der Malerei/Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden |
2008-2010 | Meisterschüler an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Prof. Christian Sery |
ab 2010 | Lehrauftrag an der HfBK Dresden |
lebt und arbeitet in Dresden/Berlin | |
Hannes Broecker ist Mitglied der Künstlergruppe Aki Tarr. | |
Preise und Stipendien | |
2012 | Hektor Förderpreis |
2011 | Artist in Residence, Goetheinstitut Seoul, Korea |
2010 | New Position Förderprogramm der Art Cologne |
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